Kurzarbeit und Home-Office in Zeiten von Corona. Die Pandemie hat uns alle fest im Griff. Unternehmer, Freiberufler und insbesondere Gründer stehen vor großen Herausforderungen. Viele Unternehmen haben für den Großteil Ihrer Mitarbeiter Home-Office-Arbeitsplätze eingerichtet. Andere Unternehmen müssen einen Teil Ihrer Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken.
Vor allem kleine Unternehmer werden die eine oder andere rechtliche Hürde nicht kennen. Sie sind völlig auf sich alleine gestellt.
Das Corona-Interview mit Patrick von Mammen
Wir haben daher Patrick von Mammen, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei hbc Anwälte in Nürnberg gefragt, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer beachten müssen, wenn in Zeiten von Corona Kurzarbeit oder Home-Office eingeführt werden.
Corona zwingt Mitarbeiter in Kurzarbeit und Home-Office
rauch.zeichen: Welche Voraussetzungen müssen denn überhaupt – und im Speziellen in der Corona-Situation – erfüllt werden, um Kurzarbeit beantragen zu können?
Patrick von Mammen: Die Voraussetzungen für den Erhalt des Kurzarbeitergeldes regeln die §§ 95 ff SGB III. Grundvoraussetzung ist ein erheblicher Arbeitsausfall. Das bedeutet, dass in der Regel mindestens 10 % der Mitarbeiter und deren Arbeitsausfall von der Situation betroffen sein müssen.
Die betroffenen Mitarbeiter müssen der Kurzarbeit auf jeden Fall zustimmen. Denn ohne Zustimmung ist die Einführung von Kurzarbeit im Betrieb oder einzelnen Betriebsteilen nicht möglich.
Besteht ein Betriebsrat oder ist ein Tarifvertrag einschlägig, können die Voraussetzungen der Kurzarbeit auch dort geregelt sein.
Die Beantragung von Kurzarbeit ist eigentlich recht einfach
rauch.zeichen: Was wäre der schlimmste und auch dümmste Fehler, den ein Arbeitgeber bei der Beantragung und Einführung von Kurzarbeit machen könnte und welche Auswirkungen könnte dieses haben?
Patrick von Mammen: Zwar kein rechtlicher, aber ein praktischer Fehler wäre die fehlende Kommunikation mit den Mitarbeitern vor Einführung des Kurzarbeitergeldes (KuG). Gerade in einer Krisensituation wie der jetzigen und der allgemeinen Verunsicherung ist es kontraproduktiv, die Belegschaft vor vollendete Tatsachen zu stellen. Sondern diese ist in den Prozess der Kurzarbeit mit einzubeziehen.
Die Akzeptanz der Kurzarbeit wird größer, wenn die Mitarbeiter informiert sind, ob und in welchem Umfang zunächst Überstunden abgebaut werden müssen, in welchem Umfang Kurzarbeit überhaupt und für welchen Zeitraum eingeführt wird. Wie macht sich die Kurzarbeit beispielhaft in der Lohntüte bemerkbar und stocke ich als verantwortungsbewusster Arbeitgeber das KuG auf.
Ansonsten ist die Stellung eines Antrages auf KuG denkbar einfach. Die Agentur für Arbeit hat hierzu ein Merkblatt herausgegeben. Zwingend notwendig ist zum einen die Anzeige über den Arbeitsausfall und zum anderen der spätere Antrag auf KuG. Ohne Antrag geht nichts.
Streitpunkt: Überstunden.
rauch.zeichen: Was ist mit Überstunden? Was ist dran am Gerücht, dass Überstunden erst vollständig abgebaut werden müssen? Kann wirklich erst dann Kurzarbeit beantragt werden?
Patrick von Mammen: Überstunden müssen vor Gewährung des KuG teilweise eingebracht und abgebaut werden. Allerdings nur bis zu bestimmten Grenzen, die sich aus § 96 Abs. 4 S.3 Nr. 4,5 SGB III ergeben. Überstunden sind nur insoweit geschützt, wenn das Arbeitszeitkonto auf mehr als 10 % der Jahresarbeitszeit angewachsen ist.
Beispiel für eine 37,5 Stunden-Woche: hier beträgt die Jahresarbeitszeit 1.950h. Wenn ein Arbeitnehmer nun auf seinem Arbeitszeitkonto ein Guthaben – also Überstunden – von 250 Stunden hat, dann müssten 10% der Jahresarbeitszeit, also 195 Stunden abgebaut werden. Geschützt sind hier nur 55 Stunden.
Wenn ein Arbeitszeitguthaben länger als ein Jahr unverändert bestanden hat, ist dieser Mindestwert als geschütztes Guthaben heran zu ziehen. Auszugehen ist dabei vom niedrigsten Wert des Arbeitszeitguthabens im Jahr vor Einführung der Kurzarbeit, § 96 Abs. 4 S.3 Nr.5 SGB III.
Wenn der Arbeitnehmer also als niedrigsten Wert 150 Stunden hatte im letzten Jahr müsste er statt 195 Stunden im obigen Beispiel nur 100 Stunden abbauen. Es gilt das Günstigkeitsprinzip für den Arbeitnehmer.
Und noch ein wichtiges Thema. Was ist mit Urlaub?
rauch.zeichen: Viele Arbeitnehmer haben oder hatten für Ostern oder Pfingsten Urlaub geplant. Dieser wird vermutlich nur in den eigenen vier Wänden statt finden können. Den einen mag es freuen, der andere wird sich schwer überlegen, ob er seinen Urlaub nehmen möchte oder nicht. Aber wie sieht die rechtliche Seite aus?
Patrick von Mammen: Nein, der Arbeitnehmer muss seinen Urlaub nicht aufbrauchen bevor ein Antrag auf KuG gestellt werden kann. Das ist die gute Nachricht für die Arbeitnehmer.
Der Arbeitgeber darf allerdings bereits genehmigten Urlaub nicht zurück nehmen. Das KuG könnte sonst sogar versagt werden. Arbeitsrechtlich, im Verhältnis zum Arbeitnehmer, muss der Arbeitgeber ebenfalls den bereits genehmigten Urlaub nicht zurück nehmen.
Zudem erhielte der Arbeitgeber sonst keine Planungssicherheit über Abwesenheiten im laufenden Urlaubsjahr. Auch bestünde die Gefahr, dass der Urlaub dann teilweise in das Folgejahr mitgenommen werden. Der Arbeitnehmer müsste den Urlaub dann eventuell auch in den ersten drei Monaten des Folgejahres nehmen.
Abweichende Regelungen sieht ggf. der Arbeitsvertrag, ein Tarifvertrag oder eine betriebliche Übung vor.
Während des Urlaubes ist das Arbeitsentgelt allerdings ganz normal weiter zu bezahlen, denn in dieser Zeit entfällt die Arbeitspflicht ja wegen des Urlaubs und nicht wegen Kurzarbeit aufgrund der Auftragslage.
Immer wieder Corona: Home-Office und Kurzarbeit sind eine Herausforderung!
rauch.zeichen: Stichwort: Home-Office. Aufgrund von Kinderbespaßung oder Home-Schooling kann es ja durchaus sein, dass die Arbeitsleistung von Arbeitnehmern nicht dem Normalmaß entsprechen. Welche Vereinbarung sollte man treffen, um Streitereien zu vermeiden?
Patrick von Mammen: Zu aller erst möchte ich meinen Hut ziehen vor all den Eltern und Alleinerziehenden, die sowohl die Zeit als auch die Nerven finden, im Home-Office neben den Kindern zu arbeiten, ein Telefonat zu führen, ohne dass dies nicht durch die Warteschleife, sondern durch Kinderstimmen unterbrochen wird.
Unsere Erfahrung ist es, dass die Mitarbeiter im Home Office sehr verantwortungsbewusst mit dem Arbeitspensum umgehen. Bei der Gewährung von flexiblen Arbeitszeiten und Home-Office können wir bis dato Leistungseinbußen nicht feststellen. Sofern eine Kontrolle notwendig sein könnte, empfehlen wir abwechselnd Präsenz- und Home-Office-Tage und ein Reporting an die Vorgesetzten.
Home-Office auf Dauer – ein toller Plan?
rauch.zeichen: Es ist ja nicht jeder Arbeitgeber massiv begeistert vom Thema Home-Office. Mancher Mitarbeiter kann sich aber daran gewöhnen. Was wäre zu beachten, wenn es zu einer Rückkehr ins physische Büro kommen muss oder soll?
Patrick von Mammen: Soll Home-Office nicht auf Dauer gewährt werden, wäre auch hier eine entsprechende Vereinbarung sinnvoll und notwendig. Das ist wichtig, um den Rahmen des Home-Office, insbesondere Arbeitszeiten, Dauer, Räumlichkeiten und den Datenschutz sicher zu stellen.
Bislang gibt es kein Recht auf die Einrichtung eines Home Office Platzes. Ob diese Aussage zum Jahresende 2020 noch Gültigkeit haben wird, bleibt angesichts der politischen Diskussion um die Einführung eines Anspruchs auf einen Home Office Platz abzuwarten.
In diesem Zusammenhang wird der Gesetzgeber jedoch auch die Fragen rund um den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz mitregeln müssen, denn bisher ist dieser nur eingeschränkt und unvollständig gegeben.
Das Home-Office als Virenschleuder.
rauch.zeichen: Kann eine Arbeitnehmer dafür in Haftung genommen werden, wenn er durch die Nutzung eines privaten PCs einen Virus in das Firmennetzwerk einschleust?
Patrick von Mammen: Ja, könnte er. Deswegen empfehlen wir die Untersagung der Nutzung von unternehmsfremden PCs oder Laptops mit Unternehmenssoftware und eine Konnektivität zwischen betriebsfremden Geräten wie Telefon und Betriebslaptop!
rauch.zeichen: Wir haben uns fast ein wenig verplaudert. Aber die Antworten und die Informationen sind nun mal extrem wertvoll. Zwei spannende Themen – nämlich bAV und gesetzliche Unfallversicherung haben wir uns für den zweiten Teil des Inteviews aufgespart!
Wir bedanken uns für die interessanten Antworten zum Thema Corona: Kurzarbeit und Home-Office. Bitte bleiben Sie gesund!
Wir möchten grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass eine Rechtsschutzversicherung im Falle eines Falles finanzielle Unterstützung bietet.
Zum Anderen möchten wir auch noch einmal auf das Corona-Interview mit Julia Nebe hinweisen. Die Basler bietet einen besonderen Schutz in der Cyberversicherung. Besonders zu beachten ist hier der Bereich Bring-Your-Own-Device. Hier können Arbeitgeber die Haftung ihrer Mitarbeiter minimieren, in dem sie Vorsorge treffen und einen möglichen Schaden begrenzen.
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