Capital.de: „Warum Unfallversicherungen meist überflüssig sind“
„Unfallversicherungen sind überflüssig.“ Unsere kritische Analyse eines Beitrages von Capital.de
Fake-News sind ja das Thema der Stunde. Oftmals liegt es auch nur an fehlender Dialektik. Es ist ziemlich erschreckend, wie sich Fachmagazine aus dem Finanzbereich präsentieren: mit völlig absurden und falschen Thesen und Begriffen, die eigentlich etwas ganz anderes bedeuten.
Da haben sich die Kollegen ganz schön was geleistet. Aber lesen Sie selbst!
Kein Wunder, dass die Meinung der Deutschen zum Thema Versicherung nicht die beste ist, wenn sich die sogenannten „Profis“ öffentlich gegenseitig widersprechen.
Der Artikel ist zwar schon ein bisschen älter, aber bei Thema „Warum Unfallversicherungen meist überflüssig sind“ hört der Spaß tatsächlich auf.
Am 16.03.2020 veröffentlicht das Fachmagazin capital.de einen Artikel zu diesem Thema. Dieser liest sich fast so als ob er einfach beim anderen Fachmagazin abgeschrieben wurde. Denn der Beitrag klingt verdächtig nach finanztip (dort ist der geschätzte Finanzspezialist Tenhagen tätig). Das Fazit des Autors?
„Für die meisten Personen sind Unfallversicherungen überflüssig!“ – Ein Irrtum!
Das können wir so nicht stehen lassen. Allein in unserem Bestand finden sich einige Mandanten, die aus der Unfallversicherung eine 5- bzw. 6-stellige Leistung erhalten haben. Daher ist eine Stellungnahme zu diesen falschen oder schlecht recherchierten Artikeln absolut erforderlich!
Aber was stimmt denn jetzt – Unfallversicherung ja oder nein?
Wir schauen uns das im folgenden Beitrag genauer an.
Behinderung oder Invaliditätsgrad? Eine kleine Vokabelstunde
Wer sich mit der private Unfallversicherung beschäftigt und deren Sinnhaftigkeit in Frage stellt, der sollte sich auch mit den grundlegenden Begriffen auseinander setzen. Los gehts mit folgender Aussage:
Tatsächlich verletzen sich jährlich rund sieben Mio. Deutsche bei Unfällen im Haushalt oder in der Freizeit, hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erhoben. Die wenigsten Unfälle enden aber in einer schweren Behinderung – und genau diesen Fall deckt eine Unfallversicherung ab.
von Jennifer Garic auf capital.de am 16. März 2020
Das ist eine interessante, allerdings nicht ganz richtige Aussage. Bei der privaten Unfallversicherung geht es um Invaliditätsgrade – und nicht um eine schwere Behinderung.
Fakt ist: Wer sich beim Kicken das Kreuzband oder den Meniskus zerschießt, der muss nicht automatisch eine Behinderung haben. Möglich ist aber durchaus, dass eine dauerhafte Beeinträchtigung (=Invalidität) zurückbleibt.
Deswegen ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Kicker von seinem Versicherer Geld erhält – und das obwohl keine schwere Behinderung vorliegt.
Was ist der Unterschied zwischen Behinderung und Invaliditätsgrad?
Das Sozialgesetzbuch (SGB), in welchem der Begriff „Behinderung“ näher bestimmt wird, hat mit der privaten Unfallversicherung eigentlich nicht viel gemein.
Mit Grad der Behinderung (GdB) ist etwas vollkommen anderes gemeint als mit dem Begriff Invalidität. Der Grad der Behinderung gibt an, wie sehr der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand eines Menschen abweicht.
Eine Definition des Begriffs findet sich in § 2 Absatz 1 SGB IX. Dieser Teil des SGB beschäftigt sich mit der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.
Ein Beispiel dazu: Wenn wir von einem vollständig geschädigten Meniskus (oder einem Kreuzband) sprechen, dann liegt der Invaliditätsgrad in vielen Fällen zwischen 8-12% Beinwert. Das hat aber immer noch nichts mit GdB zu tun.
Was ist ein Beinwert?
Bei der privaten Unfallversicherung gibt es eine sogenannte Gliedertaxe. Diese ist in jedem Versicherungsvertrag individuell vereinbart. In guten Versicherungsbedingungen ist der Verlust eines Beines mit mind. 80% Invaliditätsgrad festgelegt. Somit bekommt man bei 8-12% Beinwert also zwischen ca. 6,5% und 9,5% aus der Grundversicherungssumme.
Bei einer Grundversicherungssumme von EUR 200.000 sind das dann zwischen EUR 13.000 und EUR 19.000 – wohlgemerkt für einen simplen Kreuzbandriss.
Aber aus einer Laune heraus zu behaupten, dass eine private Unfallversicherer bei einem Knochenbruch nicht zahlt, ist natürlich falsch. Tatsächlich gibt es Tarife, die auch bei Knochenbruch eine Entschädigung als „Schmerzensgeld“ zahlen. Ob das Sinn macht, kann man natürlich hinterfragen. Denn der Versicherer lässt sich diese Option selbstverständlich im Beitrag ordenlich löhnen.
Doch viel wichtiger ist: was passiert, wenn das Bein nach einem Knochenbruch nicht richtig zusammenwächst und bleibende Schäden zurück bleiben?
Das betroffene Bein bleibt nach drei Operationen, einer Entzündung und einer Reha nach insgesamt 6 Monaten dauerhaft eingeschränkt beweglich? Hier leistet die private Unfallversicherung!
Ob dann zusätzlich Geld von einem Sozialversicherungsträger (gesetzliche Kranken-, Renten- oder Unfallversicherung) fließt, hat mit der privaten Unfallversicherung nichts zu tun.
Unfälle geschehen! Alles halb so schlimm?
Die Autorin erwähnt korrekt, dass es rund 7 Mio. Unfälle im Jahr „mit Verletzung“ gibt. Also fast jeder 10. Einwohner Deutschlands erleidet einen Unfall. Demnach könnte sich auch fast jeder Zehnte schwer verletzen – könnte!
Um dieses Risiko geht es am Ende doch!
Der nächste fachliche Knaller: „Nach ein paar Wochen ist alles wieder beim Alten – und damit hat die Versicherung keinen Grund, zu zahlen. Viele Versicherungen zahlen erst, wenn ein Arzt bescheinigt, dass der körperliche Schaden mindestens drei Jahre lang anhält und keine Besserung in Sicht ist.“
Logisch, es geht ja auch um einen dauernden Schaden. Aber hier werden Dinge vermischt und verwechselt, die nicht zusammengehören. Wo kommen denn die drei Jahre her?
Richtig ist: Ansprüche müssen innerhalb bestimmter Fristen angemeldet werden. Und richtig ist auch, dass der Invaliditätsgrad innerhalb bestimmter Fristen bestimmt werden muss. Bei guten Versicherungen sind das auch mal 36 Monate – also drei Jahre – oder mehr. Und warum ist das gut? Weil die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Beeinträchtigung verschlechtert, deutlich höher ist als dass sie sich verbessert. Ein Bein, dass nach 12 Monaten ab ist, wird nicht mehr anwachsen. Ein Knie, dass nach 24 Monaten nach einem Unfall Arthrose entwickelt, ist nach 24 Monaten unbrauchbarer als nach 6 Monaten.
Die Autorin ist jedoch redlich bemüht, da noch einen draufzusetzen:
Der Ernstfall kommt nur selten vor: Gerade einmal 1,1 Prozent der als schwerbehindert anerkannten Menschen in Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt durch einen Unfall in Freizeit oder Haushalt in diese Lage gekommen.
von Jennifer Garic auf capital.de am 16. März 2020
2018 wurden aus privaten Unfallversicherungen Leistungen in Höhe von über 3,3 Milliarden Euro geleistet. Liebe Frau Garic, fragen Sie die 1,1 Prozent bitte, ob der Abschluss der Unfallversicherung sinnvoll war!
Die besten Unfallversicherungen sind überflüssig!
Also kann sich eine Unfallversicherung ja gar nicht lohnen, oder?
„Lohnen“ in diesem Sinne soll sich eine Versicherung nie. Wer das behauptet, hat den Sinn und Zweck einer Versicherung nicht verstanden. Versicherung bedeutet, dass die Versichertengemeinschaft (viele andere) den Geschädigten (eine Einzelperson) im Schadenfall unterstützt und damit das finanzielle Risiko lindert.
Wie bei den Musketieren: „alle für einen“.
Eine Schadenversicherung ist kein Investment. Auch wenn wir in unserem Blogartikel „Unfallversicherung als Kapitalanlage“ launig etwas anderes behaupten.
Die beste Versicherung leistet übrigens nie! Denn dann hat man sie nicht in Abspruch nehmen müssen. Wer hätte schon gerne einen Unfall mit Invaliditätsfolge?
Doch wenn es passiert ist man lieber richtig abgesichert, oder?
So wird „Unfall“ definitiert!
Im Beitrag wird noch etwas auf dem Unfallbegriff P-A-U-K-E herumgeritten – also, dass ein Unfall immer ein von Plötzlich von Außen, Unmittelbar auf den Körper einwirkendes, Gesundheit schädigendes Ereignis sein muss. Ja, das ist richtig und korrekt. Einen gewissen Anteil an richtigen Informationen sollte so ein Beitrag ja auch ausweisen können.
Was jedoch unberücksichtigt bleibt: bei modernen Top-Tarifen wird der Unfallbegriff deutlich erweitert! Eigenbewegungen, Schlag- und Herzanfall, Sonnenstich, Zeckenbisse, Ersticken, Ertrinken und vieles mehr sind dann auch mitversichert.
Doch genau so werden Unfallversicherungen überflüssig: Wenn man sich auf einen möglichst billigen Tarif „aus dem Internet“ einlässt, mit Schrott-Bedingungen und ohne Beratung. – Dann kann man sich das wirklich sparen.
Die gesetzliche Unfallversicherung springt für Unfälle ein, welche mit der Arbeit in Verbindung stehen.
Nun könnte man daraus ja treffend folgern, dass eine Unfallversicherung dann tatsächlich überflüssig ist. Tatsächlich passieren aber ca. 94% aller Unfälle mit Invaliditätsfolge in der Freizeit.
Insofern fragen Sie mal denjenigen, der im Home-Office die Kellertreppe herunter fällt, ob die gesetzliche Unfallversicherung bezahlt hat, oder nicht.
Haben wir also eine Homeoffice-Falle für Arbeitnehmer?
Eine Unfallversicherung zahlt sowieso nie!
Wer so denkt, der braucht keine Versicherung. Doch wer so argumentiert wie das besagte Fachmagazin, der verbreitet schlicht und ergreifend Fake-News!
Eine Unfallversicherung lohnt sich nur für Menschen, die in ihrer Freizeit einem besonders hohen Verletzungsrisiko ausgesetzt sind – zum Beispiel Sportvernarrte und Adrenalinjunkies. Doch Vorsicht: Je nachdem, wie gefährlich das Hobby ist, schließen Unfallversicherer dieses von der Police aus.
von Jennifer Garic auf capital.de am 16. März 2020
Woher kommt diese Aussage? Das ist vollkommener Unfug.
Zuerst: Die Unfallversicherung lohnt sich für jeden. Das ist Fakt. Jedem, der Abends spazieren geht oder eine Runde mit dem Rad fährt, kann etwas zustoßen – ob man jetzt „nur“ den Bordstein übersieht oder auf Kopfsteinpflaster stürzt. Beides kann weitreichende Folgen mit sich bringen.
Auch mit der Aussage über Ausschlüsse von gefährlichen Hobbys sind wir nicht glücklich!
- Tauchen und Druckkammerkosten sind mittlerweile fast Standard in der Unfallversicherung.
- Bei der Benutzung von Helmen beim Rad oder Inliner fahren werden teilweise die Leistungen verdoppelt.
- Wer reitet, sollte unbedingt eine derartige Versicherung abschließen.
- Sie drehen gerne eine Runde auf der Kartbahn? Auch das ist mit etwas Recherchearbeit versicherbar.
Ausschlüsse gibt es für alles, was mit Flugsport zu tun hat. Das ist korrekt.
„Schließen Sie bitte keine Unfallversicherung ab, sondern eine BU!“
Schleichende Verschlechterungen in Folge einer Krankheit sind durch eine Unfallpolice nicht versichert.
von Jennifer Garic auf capital.de am 16. März 2020
Zur Einleitung des finale furioso! scheint sich die Autorin wieder an finanztip zu orientieren. Im unvermeidlichen Schluss liefert Frau Garic das Argument, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung doch viel besser wäre, denn diese würde ja Krankheiten auch mitabdecken.
Leider ist auch diese Information nicht richtig. Denn nicht die Krankheit selbst ist ein Auslöser für Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Vielmehr ist es entscheidend, ob man aufgrund Krankheit, Unfall oder auch Kräfteverfall nicht mehr dazu in der Lage ist, seine aktuelle berufliche Tätigkeit auszuüben.
Dass Gesundheitsschäden aufgrund Krankheit nicht in einer Unfallversicherung versichert sind, dass ist erstens ein alter Hut und zweitens logisch, denn: es ist ja auch eine Unfallversicherung.
Das Thema Krankheit decken folgende Versicherungen ab:
- Krankenversicherung
- Berufsunfähigkeitsversicherung
- Grundfähigkeitsversicherung
- Dread-Disease-Versicherung (Schwere Krankheiten-Versicherung)
Eine BU leistet – je nach Bedingungen – wenn eine berufliche Tätigkeit zu mehr als 50% nicht mehr ausgeübt werden kann und dass für einen Zeitraum von (voraussichtlich) mehr als 6 Monaten.
Spätestens jetzt sollte allen klar sein, wie wichtig es ist, seine Vokabeln zu lernen.
Deshalb sollte man sich immer ausreichend von einem Experten beraten lassen. Wer sich auf scheinbar schlaue Artikel und Beiträge aus dem Netz verlässt, der wird sicher nicht die richtige Absicherung finden. Wer fair berät, der wird seinem Kunden Möglichkeiten der Absicherung aufzeigen und dem Kunden die Wahl lassen, was er absichern möchte und was nicht.
Ein Motorradfahrer hat einen schweren Unfall mit mehreren Knochenbrüchen:
- Er bekommt nach seinem knapp 6-monatigen Ausfall nach seinem Unfall aus der Berufsunfähigkeitsversicherung wahrscheinlich nichts. Es sei denn er ist massiv körperlich tätig und fällt noch länger aus.
- Aus der Unfallversicherung hingegegen gibt es vermutlich jede Menge Leistung!
- Natürlich wird auch ein Krankentagegeld bezahlt – wenn er eines versichert hat.
Schlau ist also, wer eine Kombination aus Krankentagegeld-, Unfall- und BU-Versicherung abgeschlossen hat.
Unfallversicherungen sind nicht überflüssig
Zum Schluss noch einmal der Hinweis darauf, dass in Deutschland bei Badeunfällen jedes Wochenende mehrere Menschen tödlich verunglücken.
Ich weiß nicht, ob Schwimmer per se ein riskantes Hobby ist? Vermutlich nicht. Der Anteil der Nicht- und Schlechtschwimmer liegt bei 52% (Zahl aus 2017). Tendenz: steigend.
Kein Zufall ist es auch, dass Hermann Hübner, Vorstand der VEMA eG, in seinem Gastkommentar in diversen Fachmagazinen – unter anderen bei pfefferminzia.de – zu einem ähnlichen Schluss kommt: Unfallversicherungen sind nicht überflüssig.!
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