Erste Veröffentlichung dieses Artikels 07.06.2019 – überarbeitete Version 17.06.2021
Versicherungen und Kulanz
Kompromiss – oder gar Straftat?
Thema Versicherung und Kulanz: Als Versicherungsmakler müssen wir leider gelegentlich die Ablehnung einer Schadenzahlung an unsere Mandanten übermitteln. Für den Endkunden ist das nicht immer leicht nachvollziehbar, wenn ein Schaden nicht bezahlt wird. Vor allem dann, wenn Emotionen im Spiel sind.
Kürzlich ist uns eine Ausgabe 4/2021 des Fachmagazins versicherungsmagazin in die Hände gefallen. Der dort veröffentlichte Artikel mit dem Titel „Betrug mit und am Kunden“ veranlasste uns, diesen Blogbeitrag erneut aufleben zu lassen. Er beweist, dass viele vermeintliche Experten einfach nur Spezialisten sind.
Es gibt Experten und es gibt Spezialisten.
Kernaussage des Artikels ist, dass die Qualität der Beratung erst im Schadenfall ersichtlich ist. Der Autor warnt deutlich, „Tipps, Tricks und Schadenschilderungen, die nicht der Wahrheit entsprechen“ zu unterlassen. Damit wäre der Tatbestand des strafbaren Versicherungsbetrugs nämlich bereits erfüllt. Jedem, der in dieser Branche arbeitet, dürfte das eigentlich bewusst sein – denkt man.
Erstaunlicherweise wird im gleichen Atemzug der Versicherungsvermittler zur einer Straftat angestiftet: Er soll bei der ablehnenden Versicherung eine Kulanz erwirken. Diese Aussage stammt von einem Versicherungsberater, der Rechtsdienstleitungen erbringen darf. Wir sind da anderer Ansicht!
„Unser Tipp [also der des Versicherungsberaters]:
Besser ist es in jedem Fall den Versicherungsnehmer ehrlich mitzuteilen, was versichert ist und wann leider kein Versicherungsschutz besteht. Dann kann der Vermittler versuchen, mit Offenheit eine Kulanzleistung von der Versicherungsgesellschaft zu bekommen.“
Quelle: versicherungsmagazin, 04/2021, Seite 8
Warum verlangt der Volkmund gerne „Kulanz“?
An dieser Stelle widmen uns dem Problem eines abgelehnten Schadenfalls und dem im Volkmund gerne verwendeten Begriff „Kulanz“. Häufig werden die folgenden Fragen in genau dieser Reihenfolge gestellt:
- „Wozu habe ich dann eine Versicherung, wenn die eh nie zahlt?„
An dieser Stelle hilft oft ein Blick in die Schadenstatistik des Kunden – der meist überdurchschnittlich viele (und vereinbarungsgemäß bezahlte) Schäden hat. - „Kann man da nichts machen? Gibt es bei der Versicherung keine Kulanz?„
Die Antwort lautet schlicht und ergreifend: „Nein. Es gibt keine Kulanz!“
Wenn Sie jetzt aufhören zu lesen, verpassen Sie allerdings die wichtigste Information!
Versicherung und Kulanz:
Anstiftung zur Veruntreuung von Kundengeldern!
Das Prinzip „Versicherung“ funktioniert folgendermaßen: Viele Beitragszahler sichern ein explizites Risiko ab. Die gezahlten Beiträge werden für den Schadenfall verwendet – deswegen spricht man auch gelegentlich von einer solidarischen Versicherungsgesellschaft. Daraus ergibt sich für jeden Versicherer die Verpflichtung mit Kundengeldern sorgsam umzugehen und diese nicht sinnlos zu verschleudern. Dazu gehört, dass man alle Kunden gleich behandelt.
Wenn ein Schaden nach Bedingungswerk nicht versichert ist, dann ist er eben nicht versichert. Die Anfrage bei einer Versicherung zur Kulanz ist schlicht und ergreifend die Anstiftung zur Veruntreuung von Kundengeldern. Die Untreue stellt im deutschen Strafrecht einen Straftatbestand dar (§266 StGB). Die Anstiftung dazu übrigens auch.
Stellen Sie sich vor, Sie und Ihr Nachbar sind bei dem gleichen Versicherer Kunde. Ihr Nachbar bekommt „kulanterweise“ einen dreistelligen Betrag für seinen nicht versicherten Schaden überwiesen. Stolz hat er es Ihnen sogar über den Gartenzaun hinweg erzählt. Einen Monat später erhalten Sie die Meldung, dass der Beitrag für das kommende Versicherungsjahr angehoben wird, weil der Versicherer nicht kostendeckend arbeitet. Wie fühlen Sie sich da?
Benachteiligt vermutlich.
Das leisten wir als Versicherungsmakler für Sie!
Wir prüfen im Rahmen dessen, was wir dürfen (Stichwort: Rechtsdienstleistung). Dabei ermitteln wir für Sie, ob ein explizites Schadenereignis versichert ist oder nicht. Dazu machen wir – in der Regel – nichts anderes als die Versicherungsbedingungen zu lesen.
Manchmal muss man die Versicherungsbedingungen einem Schadensachbearbeiter auch einfach nur vorlesen. Bei der Vielfalt von Versicherungsbedingungen und Tarifwerken, kann man nicht voraussetzen, dass alle Bedingungen bekannt sind. Menschen machen schließlich Fehler.
So ist es doch häufiger so, dass wir uns gegenüber einem Versicherungsunternehmen nicht immer ganz so „kulant“ zeigen, sondern mit Vehemenz auf die Einhaltung von vertraglichen Vereinbarungen bestehen. Das machen wir natürlich im Namen und im Auftrag unserer Mandanten.
Wir sind Ihr geldwerter Vorteil!
Wir müssen nicht die Interessen eines Versicherungsunternehmens vertreten. Unser Anliegen sind die Bedürfnisse unseres Mandanten, des Versicherungsnehmers.
Ihr Vorteil ist unsere Erfahrung.
Wir lassen uns nicht jede Ablehnung gefallen und schauen sehr genau hin. Im Kollegennetzwerk pflegen wir einen regen Erfahrungsaustausch. Dadurch kennen wir den einen oder anderen Trick der Versicherungsunternehmen.
Wir fragen eine Versicherung nicht nach Kulanz.
Selbstverständlich gibt es auch Schäden, bei denen es nicht zu 100 Prozent klar ist, ob der Versicherer leisten muss. Mit Sicherheit gibt es auch Vorfälle, bei denen Kosten nicht oder nur teilweise übernommen werden. Manchmal muss man auch streiten – oder es einfach dabei belassen.
Erzielt man aus wirtschaftlichen Überlegungen eine Einigung zwischen Versicherungnehmer und Versicherung ist das keine Kulanz.
Ergo: Sollte Ihnen im Beratungsgespräch irgendjemand erzählen: „Dann machen wir das auf Kulanz.“ Dann verlassen Sie bitte den Raum und schließen Ihre Versicherungsverträge woanders ab. Steigende Prämien, Untreue und Ungleichbehandlung braucht niemand.
So unter uns: Das Wörtchen „Kulanz“ hat sich klar irgendwie eingebürgert. So sehr, dass man es an der einen oder anderen Stelle recht unbedacht verwendet. Kulanz jedoch als Verkaufsargument zu verwenden ist ein absolutes „No-Go“.
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